Treffen Sie Ihre Wahl

Was wenn Sie der Corona-Pandemie wegen plötzlich von zu Hause aus arbeiten möchten oder müssen?

02 Jul 2021

Sie arbeiten in Deutschland und wohnen in den Niederlanden? Dann wirkt Corona sich auf Ihren Arbeitsalltag aus. Wahrscheinlich arbeiten Sie schon jetzt öfter und mehr von zu Hause aus, das heißt in den Niederlanden. Vielleicht haben Sie sogar im Rahmen der Corona-Maßnahmen eine Zahlung erhalten. Aus solchen Sachverhalten ergeben sich immer auch steuerliche Konsequenzen, auf die ich gerne näher eingehen möchte. Es kommt auch die bereits angekündigte Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA Niederlande-Deutschland) zur Sprache, insbesondere im Hinblick auf bestimmte Sozialleistungen. Dabei gehen wir von einem regulären Arbeitnehmer aus (und nicht beispielsweise von einem Geschäftsführer oder Mehrheitsanteilseigner).

Mein Name ist Ricardo te Kaat, ich bin niederländischer Steuerberater bei Stolwijk Kelderman und berate deutsche wie niederländische Unternehmer, die täglich grenzüberschreitend tätig sind.

Sozialversicherung

Wenn Sie in den Niederlanden wohnen und in Deutschland arbeiten, sind Sie in Deutschland sozialversichert. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn Sie 25 % (oder mehr) Ihrer Arbeit in Ihrem Wohnsitzland (Niederlande) verrichten. Dann fallen Sie mit Ihrem gesamten Einkommen unter die Regelungen zur niederländischen Sozialversicherung.

Aufgrund der Corona-Pandemie war und ist das Arbeiten von zu Hause aus manchmal die einzige Option. Und das kann zu weitreichenden Konsequenzen führen, beispielsweise:

  • die Sozialversicherungspflicht wechselt von Deutschland zu den Niederlanden
  • es werden keinen deutschen Rentenversicherungsansprüche mehr aufgebaut
  • die Pflicht zur Versicherung bei einer deutschen Gesundheitskasse entfällt
  • Bei Kündigung, Arbeitsunfähigkeit oder damit zusammenhängenden sozialen Regelungen bestehen keine Ansprüche in Deutschland mehr
  • Sozialbeiträge sollten dann besser nicht mehr vom Lohn einbehalten werden

Glücklicherweise haben die Niederlande und Deutschland rechtzeitig reagiert und eine vorübergehende Vereinbarung getroffen, wonach die Arbeit von zu Hause aus nicht zu einer Änderung hinsichtlich des Sozialversicherungsstatus führt, sofern diese Veränderung ausschließlich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erfolgt ist. Die damit verbundene zeitliche Begrenzung ist jüngst noch bis zum 1. Oktober 2021 verlängert worden.

Die Frage ist dabei jedoch, wie lange diese Vereinbarung fortgeführt wird und was passiert, wenn Arbeitnehmer auch nach der Corona-Pandemie für 25% oder mehr von zu Hause aus arbeiten möchten. Denn wie Sie bereits lesen konnten, kann dies zu erheblichen Konsequenzen führen.

Eine Änderung der Beitragspflicht hat auch Folgen für Arbeitgeber: Der Arbeitgeber müsste dann in den Niederlanden auf jeden Fall Sozialversicherungsbeiträge abführen.

Sozialhilfe aus Deutschland erhalten

Wenn das Finanzamt einmal festgestellt hat, dass Sie Ihren (steuerlichen) Wohnsitz in den Niederlanden haben und eine Leistung aus einer deutschen Sozialkasse beziehen, deren Summe einen Bruttobetrag von jährlichen 15.000 Euro nicht überschreitet, ist laut Abkommen geregelt, dass diese Leistung ausschließlich in den Niederlanden besteuert werden darf.

Infolge der Corona-Pandemie erhalten übrigens immer mehr Grenzgänger mit Wohnsitz in den Niederlanden deutsche Sozialhilfe in Form einer Netto-Sozialleistung. Während die niederländische Regierung Arbeitgeber bei der Lohnfortzahlung unterstützt, zahlt Deutschland bei Arbeitszeitverkürzung Arbeitnehmern das sogenannte Kurzarbeitergeld aus. Darüber hinaus erhalten infolge der Corona-Pandemie auch immer mehr Einwohner in den Niederlanden Insolvenzgeld oder Arbeitslosengeld.

Diese deutschen Sozialleistungen werden auf Grundlage des vorherigen, individuellen Nettogehalts ausgezahlt und daher in Deutschland nicht auch noch besteuert. Sollten alle Sozialleistungen in einem Kalenderjahr zusammengerechnet höchstens 15.000 Euro betragen, weist das Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht dieser deutschen Nettoleistungen, wie gesagt, den Niederlanden zu. Unerwünschte Folge: Die Niederlande würden einen Grenzgänger, der normalerweise in Deutschland gearbeitet hat und normalerweise auch dort mit seinem Gehalt besteuert worden wäre, über eine Nettoleistung (die Deutschland dem Grenzgänger auszahlt) erneut Steuern berechnen.

Glücklicherweise wurden auch für diesen Fall Vorkehrungen getroffen: Wohnen Sie in den Niederlanden, arbeiten Sie in der Regel in Deutschland und erhalten Sie im Zusammenhang mit der Corona-Krise Einkommensbeihilfen in Form von Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld oder Arbeitslosengeld? Dazu wurde vereinbart, dass Sie diese Sozialversicherungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen auch in den Niederlanden nicht mehr versteuern müssen.

Diese Befreiung gilt für Leistungen, die Sie im Zeitraum vom 11.03.2020 bis einschließlich 30.06.2021 bezogen haben. Ab dem 11.03.2020 bestand erstmals ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld oder Arbeitslosengeld.

Corona und die Lohn- und Einkommensteuer

Wenn Sie in den Niederlanden wohnen und in Deutschland arbeiten, ist deutsche Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer zu entrichten. Auf diese Weise können Sie auch von den deutschen Steuererleichterungen profitieren. Dies gilt nicht für eine Arbeitstätigkeit, die Sie außerhalb Deutschlands ausgeführt haben. Deutschland darf darüber keine Steuer erheben. Wenn Sie vollständig von zu Hause aus arbeiten, dürfen nur die Niederlande Ihr Einkommen besteuern. Die Frage einer Steuerpflicht in Deutschland stellt sich dann überhaupt nicht mehr.

Gerade wegen Corona arbeiten mehr Arbeitnehmer von zu Hause aus und die genannten Regeln können schnell zu Problemen führen. Glücklicherweise konnte mit Deutschland eine Vereinbarung getroffen werden. Die Niederlande und Deutschland haben sich dazu verständigt, dass Arbeitnehmer – abweichend vom bereits vor der Corona-Pandemie geltenden Abkommen – Ihre pandemiebedingten (zusätzlichen) Heimarbeitstage so versteuern dürfen, als würden sie Ihre Arbeit dort verrichten, wo sie für gewöhnlich auch arbeiten (der „reguläre“ Arbeitsstaat). Die Einkünfte aus den erbrachten Arbeitstagen im Inland müssen dann im anderen Land versteuert werden. Allerdings kann sich der Steuerpflichtige auch auf den bereits vor Corona geltenden Vertragstext berufen, wodurch sich das Besteuerungsrecht in das Wohnsitzland (wo sich das Homeoffice befindet) verlagert. Diese Vereinbarung wurde in einem Abkommen zwischen den Niederlanden und Deutschland festgehalten und gilt zunächst vom 11. März 2020 bis zum 1. Oktober 2021.

Auch hinsichtlich des genannten Zeitfensters bleibt die Frage offen, wie lange die Regelung tatsächlich noch gelten wird und was passiert, wenn Arbeitnehmer nach der Corona-Zeit weiterhin oder sogar vermehrt von zu Hause aus arbeiten möchten. Dann entsteht in zwei Ländern eine Steuerpflicht (Doppelbesteuerung Grenzgänger), was wiederum zu weiteren steuerlichen Konsequenzen führen kann. Es würde zu weit führen, um in diesem Blog auf alle Konsequenzen und Varianten einzugehen. Wenn Sie wissen möchten, was die neuen Regelungen für Ihren individuellen Fall bedeuten und mit welchen Vor- und Nachteilen Sie rechnen dürfen und müssen, sprechen Sie mich jederzeit gerne an.

Neben den steuerlichen Folgen gibt es übrigens auch diverse arbeitsrechtliche Konsequenzen (zum Beispiel im Hinblick auf das Arbeitsschutzrecht).

Abgesehen von dem unten beschriebenen Änderungsprotokoll sind die Niederlande und Deutschland aktuell im Gespräch darüber, inwieweit es möglich ist, im Steuerabkommen eine besondere Regelung für Heimarbeitstage bzw. das Homeoffice bei Grenzgängern zu vereinbaren.

Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen

Die Niederlande und Deutschland haben am 24. März 2021 ein Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens unterzeichnet. Dieses Protokoll regelt die Verteilung des Besteuerungsrechts auf bestimmte Leistungen aus den Sozialversicherungskassen. Dazu zählen

  • das sogenannte Krankengeld für Grenzgänger (Leistung im Krankheitsfall) und
  • das Elterngeld für Grenzgänger (Leistung für Eltern mit jungen Kindern).

Dadurch wird sichergestellt, dass der Staat, der die Sozialversicherungsleistungen aufwendet, diese letztlich auch besteuern darf.

Durch die Regelung wird unter anderem sichergestellt, dass deutsche Nettosozialleistungen nicht (erneut, also doppelt) in den Niederlanden besteuert werden, während sie in Deutschland doch als steuerfrei eingestuft werden. Der genaue Wortlaut des Protokolls ist noch nicht bekannt. Unbekannt ist auch, ab welchem Datum diese Änderung in Kraft treten wird.

Mit den Erfahrungen der jahrelangen Verhandlungen (und Änderungen) zum Doppelbesteuerungsabkommen aus 2012 im Hinterkopf, bleibt abzuwarten, ob beide Parlamente das Protokoll tatsächlich unverändert annehmen werden. Unklar ist beispielsweise, welche Leistungen berücksichtigt werden und ab wann die Änderung wirksam wird. In Fachkreisen herrscht jedoch schon jetzt Einvernehmen darüber, dass die Änderung, so wünschenswert sie auch ist, erneut zu Unklarheiten bei den Betroffenen führen wird. Deshalb halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden!

Abschließend

Wie Sie lesen konnten, führt die Corona-Pandemie für Arbeitnehmer, die in den Niederlanden wohnen und in Deutschland arbeiten, zu einschneidenden Konsequenzen. Zum Glück haben die Niederlande und Deutschland bereits mehrere Vereinbarungen getroffen, die die Konsequenzen abmildern sollen – aber einfacher ist es dadurch nicht geworden.

Haben Sie Fragen zu den Einzelheiten oder zur genauen Umsetzung in Ihrem Fall, sprechen Sie uns an. Ich stehe Ihnen für Fragen jederzeit gerne telefonisch und per E-Mail zur Verfügung.

Ricardo te Kaat, niederländischer Steuerberater         
+31-(0)6 – 11274485                                                    
r.t.kaat@stolwijkkelderman.nl                                    


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